Interkulturalität und Gender

Zwischenstand? Aufbruch? oder Abbruch?


Bereits James Brown wusste "It's a man's world" und der Gender Gap Report sowie zahlreiche andere Statistiken u.a. auch vom Deutschen Statistischen Bundesamt scheinen das auch heute noch zu belegen. Eine Tour de Raison durch die Geschichte der Geschlechterdifferenz zeigt, wenn nicht große Veränderungen, so aber doch den Beginn der Auseinandersetzung mit Geschlechterdiskursen und den zögerlichen politischen Veränderung mit den Emanzipationsbewegungen im 20. Jahrhundert.  


Doch wie sieht es mit dem Feminismus im Nachbarland Frankreich aus, besonders nach der Veröffentlichung von Simone de Beauvoirs Grundlagenwerk zum Feminismus (Le Deuxième Sexe). Ausgehend von der prinzipiellen Gleichheit der Geschlechter, werden laut de Beauvoir Frauen dennoch ungleich behandelt. So sieht das Frankreich der 1970er Jahre sieht ähnlich wie in Deutschland einen Anstieg der speziell weiblich konnotierten Räume, Cafés, Verlage, Magazine etc. tragen dazu bei die Weiblichkeit neu und positiv umzudeuten. Die Andersartigkeit der Frau wird betont und quasi programmatisch in den Vordergrund gestellt bis auch diese neuen Freiräume, Labels und Definitionen als Einschränkung empfunden werden. Die 1980er stehen im Zeichen eines pessimistischen Resümees. „Frau“ wird als neue statistische Identität noch immer als reine Geschlechtsidentität gesehen, zwischen Blumen pflücken und Menstruation. Die feministische Wissenschaft steckt noch in ihren Kinderschuhen als HélèneCixous und Luce Irigaray ihre Gegenthese von einem grundsätzlichen Unterschied zwischen Mann und Frau aufstellen. Die Frau hat auch als unterdrückte Andere bereits im Patriarchat Widerstand geleistet und nicht aufgegeben. As Spiegel des Mannes, am Rand der Gesellschaft, als das Nicht-Existierende durch Mangel und Defizit wird die Frau so zu Dissidenten. Hierin liegt laut Cixous und Irigary die Chance der Frau, als „das Imaginäre“ oder „blinder Fleck der Menschheitsgeschichte“[1]. Die weitgehend sprachlose Frau in der patriarchalischen Gesellschaft konnte Strategien und Perspektiven entwickeln. Das Sprachlose wird so positiviert und auf einen neuen Konfrontationskurs gesetzt. 


In der Literaturwissenschaft tritt die Frau nicht nur literarische Figur auf sondern auch als Autorin, die in einer neuen Literaturgeschichtsschreibung ihren Platz findet. Man muss sich den Fragen nach Schreibstil und Ausdruck, Sprachordnung der Männer und Subversiven Strategien und einer neuen Sinnsetzung stellen. Frauen schreiben anders als Männer. In ihren Thesen zur weiblichen Sprachpraxis versuchten Sigrid Weigel und Inge Stephan diesen Unterschied durch die Metapher des „schielenden Blicks“ zu erklären. Mit dem einen Auge blickt die Autorin immer auf die männliche Literatur und mit dem anderen wirft sie einen Blick auf die Welt der Frau. 


Mittlerweile hat sich auch die Frauenbewegung weiter ausdifferenziert. Die Benachteiligung der Frau wird von anderen Faktoren, Hautfarbe, Herkunft, soziale Schicht, Religion, ethnische Zugehörigkeit etc. beeinflusst. Es gibt keine globale solidarische Frauenbewegung. Zwar erfährt weibliche Emanzipation große Zustimmung, was sich nicht zuletzt in gesetzlichen Regelungen bemerkbar macht (z.B. Frauen Quoten in Deutschland), aber in Ländern wie z.B. Japan stellen traditionelle Bilder von Weiblichkeit große Probleme dar. Japanische Frauen in den gehobenen Schichten machen Studienabschlüsse, können sich aber nachdem sie Ehefrauen und Mütter geworden sind nicht vorstellen zu arbeiten, was bereits jetzt katastrophale Konsequenzen für die Wirtschaft hat. 


Ende der 1980er Jahre kam es dann mit der Veröffentlichung von Gender Trouble[2] von Judith Butler zu einem theoretischen Erdbeben. Basierend auf der aktuellen westlichen Philosophie stellt die Amerikanerin Butler die These auf, der biologische Unterschied zwischen Mann und Frau sei eine Falle aus der sich der Genderdiskurs befreien müsse. Sex spielt keine Rolle mehr. Gestützt auf Michel Foucaults Diskursanalyse, der These das Sprache unsere Selbst- und Fremdwahrnehmung konstruiert, sowie J.L. Austins Konzept der „performative utterances“[3] formuliert Butler ein neues Genderkonzept. „Doing gender“ bedeutet Geschlecht wird durch diskursive Praktiken geschaffen und reproduziert, das Zwei-Geschlechter-Modell und ein biologischen Determinismus der Geschlechter spielt keine Rolle, sondern die sprachlichen und damit die sozialen Praktiken bestimmen den Unterschied zwischen den Geschlechtern. Das beginnt schon bei der Geburt bzw. beim Ultraschall: „It’s a boy“ zieht eine Reihe von weiteren Feststellungen über Geschlechtlichkeit nach sich, die sich durch ein ganzes Leben ziehen. Besonders auffallend ist das vor allem in den romanischen Sprachen. Der anfängliche Unterschied boy/girl auf dem Ultraschallfoto wird nach der Geburt durch weitere geschlechterspezifische Symbole und Zeichen wie Kleidung, Spielzeug, Bewegung, Stimme, Verhaltensregeln unterstützt und vertieft. 


Während sich Gender Studies weiter ausdifferenzieren (gay and lesbian studies, sexual studies etc.) bleibt festzuhalten,  die performative Dimension von Geschlechtlichkeit wird auch von anderen Faktoren beeinflusst und interagiert mit anderen Kategorien wie professionellem Status, ethnische Zugehörigkeit, sozio-ökonomischer Hintergrund, Zugang zu verschiedenen Ressourcen und nicht zuletzt die persönliche Biographie. 


In der interkulturellen Kommunikation bleibt festzuhalten, dass es nicht nur die Sexualität von Mann und Frau gibt, sondern Sexualitäten. Zwar sind Geschlechterkonzepte einem ständigen Wandel unterworfen, nicht zuletzt durch transkulturelle Prozesse, dem gegenüber jedoch steht ein vielschichtiges komplexes Geflecht der Diskriminierung

Doing Gender in Spanien - Gender Gap? 



Wie Statistiken des Instituto Nacional de Estadística und Eurostat von 2013 haben Frauen in Spanien aufgeholt, was sich nicht zuletzt durch die starke Position der Frau innerhalb der Familie erklärt. Nachdem Bruch mit dem Franko-Regime sind die Strukturen relativ schnell aufgebrochen und Frauen aus dem privaten Raum in den Öffentlichen getreten. In der spanischen Politik sind sie relativ stark vertreten mit 30.77% im Bundesrat und 36% im Europäischen Parlament. Ähnlich wie in Deutschland, zeigen die Statistiken auch, dass je höher der Dienstgrad und damit die Besoldungsgruppe desto geringer der Frauenanteil. Während es bei den höheren Posten ohne Konkretisierung noch einen Frauenanteil von 40,4% gibt, sind nur 22,6% der Staatssekretäre weiblich. Noch schlechter ist es in der Wirtschaft. Aus einer Statistik aus dem Jahr 2011 geht hervor, dass der Frauenanteil in Aufsichtsräten bei 8,2% liegt, bei Aufsichtsratsvorsitzenden 3,5% und weibliche Aufsichtsratsvorsitzende nehmen 1,7% ein. In den Reales Academias Españolas (Akademien der Wissenschaften) sieht die Geschlechterverteilung im Jahr 2012 ähnlich aus. Insgesamt beträgt der Frauenanteil 8,6%, allein in fünf der Akademien ist der Frauenanteil größer als 10% (Real Academia Nacional de Farmacia, de Historia, de Ciencias Veterinarias, Real Academia Española, de Doctores de España). Bei den Juristen gibt es keine einzige Frau und in der Medizinischen Fakultät ist der Frauenanteil, trotz einer großen Zahl von Studentinnen und Ärztinnen, bei 4,17%. Zwar machen auch in Spanien mehr Frauen Abitur (131,1 auf 100 Männer) und Prozentual ist der Anteil der Studentinnen an spanischen Einrichtungen der höheren Bildung größer, aber nur 37,2 % der Frauen sind an den Hochschulen berufstätig und nur 18,1 % werden Professorinnen. 


Auch was das Gehalt von Männern und Frauen betrifft, so zeigen die Zahlen von 2010, müssen Frauen mit 76,0% des Lohnes ihrer männlichen Kollegen zurechtkommen, was umgerechnet ein Durchschnittsgehalt von 12.540,30€ beträgt. Seit 2007 kommt es jedoch einer signifikanten Absenkung der Gehälter, sodass der Stundenlohn der unter 25-jährigen 2010 bei 4,80€ liegt während die Altersgruppe der Arbeiterinnen zwischen 55 und 64 noch mit einem Stundenlohn von 23,70€ rechnen können.

Stellung der Frau in den indigenen Gesellschaften Latainamerikas 



Montaje de gente mapuche (Lautaro, Rayén Quitral, mujer mapuche de Chile, Ceferino Namuncurá)
Chiles breite indigene Bevölkerung der Mapuche wurde nicht von Spanien kolonialisiert. In dieser patriarchalen und polygamen Gesellschaft, heiraten Männer nicht nur die gekauften Bräute, sondern auch deren Schwestern, um den Familienfrieden zu wahren. Dennoch nehmen die Medizinfrauen, die sog. Machi, eine herausragende Stellung in der gesellschaftlichen Hierarchie ein. Heute sind sie nicht nur bei den traditionellen Heilprozessen und mythisch magischen Handlungen gefragt, sondern haben sich auch eine politische Stimme erkämpft. Seit mehr als einem Jahr stehen sie an der Spitze einer militanten Bewegung, die gegen die Entrechtung der Mapuche und illegale Landversteigerungen protestiert.  Dieses relativ neue Phänomen stehet in keinem Zusammenhang mit der europäischen oder der US-amerikanischen Emanzipationsbewegung, sondern wurde aus der eigenen indigenen Kultur heraus geboren. Wird eine Machi verhaftet, wird sie gezwungen mit der Tracht ihren Status abzulegen, in der Theorie geht die Staatsgewalt so gegen zivilen Ungehorsam vor, der den Respekt gegenüber dem Amt der Machi unterminieren soll. 


Vivaperucarajo~commonswiki (talk | contribs)
In der alten Inkastadt Cuzco (Peru) gehören Frauen, die auf der Straße sitzen und ihre Kinder füttern zum Straßenbild. Diese Frauen sind allerdings keine Obdachlosen, hier betreiben sie Handel, gehen in die Städte und verkaufen ihre Waren. Dieses Selbstbewusstsein stützt sich nicht zuletzt auf der Tatsache, dass die Inka, ihre Vorfahren, großartige Baumeister waren. Die Frau ist die Ernährerin der Familie, sie bringt das Geld nach Hause, was auch symbolisch durch einen Herrenhut, der seit dem 19. Jahrhundert zur Tracht gehört, seinen Ausdruck findet. 



Die Cholitas Boliviens sind selbstständige Händlerinnen. „Cholo“ bedeutet eigentlich Nachkomme von Mulatten, als Mischlingskinder von Indio und Schwarzen war die Bezeichnung „Hund“ ursprünglich abwertend. Aber durch die Politik des „vivir bien“ von Präsident Evo Morales, wird die Position der indigenen Bevölkerung nach und nach gestärkt. So, wurde indigene Flagge Boliviens wird bei den Festivitäten zum Ende des Mayakalenders  ausschließlich von Frauen getragen. 




Nach 100 Jahren der Emanzipationsbewegung und mehr als 10 Jahre Gender-Mainstreaming in der Politik, gibt es nach wie vor deutliche Unterschiede bei der gesellschaftlichen Stellung von Frau und Mann. Das lange 19. Jahrhundert wirkt sich auch heute noch auf die Situation der Frau in den westlichen Ländern aus. Die Gender-Differenz ist diskursiv gestützt, was sich letztlich in Gesetzten, Religion, Literatur, Moral, Politik, Wirtschaft niederschlägt und die Unterschiede forciert. In die Genderkonstruktion fließen auch andere Faktoren (Ethnie, Status, Herkunft, Bildung) ein, demnach müssen besonders im interkulturellen Kontext die jeweiligen historischen und aktuellen, nationalen und regionalen Verhältnisse in den Geschlechterauffassungen berücksichtigt werden.



[1] Hassauer, Friederike (1980): Der ver-rückte Diskurs der Sprachlosen. In: Haussauer, Frederike/Roos, Peter (eds): Notizbuch: VerRückte Rede – Gibt es eine weibliche Ästhetik? Berlin: 48-65.
[2] Butler, Judith (2003): Das Unbehagen der Geschlechter [1990]. Frankfurt a.M.: Suhrkamp. [Philologische Genderforschung]
[3] Sprache hat nicht nur eine abbildende Funktion, sondern eine performative. Der Akt des Sprechens kann die die Realität verändern, z.B. „Hiermit erkläre ich sie zu Mann und Frau“ oder „Rise a knight“. Durch das Sprechen wird gehandelt, die Welt verändert.

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