Die Mittelalterliche Welt und ihre Literatur



Roman de Geste

Die mittelalterliche Gesellschaft war streng hierarchisch in Stände bzw. Schichten gegliedert (siehe Lehenspyramied). Die Ständezugehörigkeit entschied über Möglichketien sich innerhalb einer Gesellschaft zu bewegen, determinierte die Interaktion zwischen den Angehörigen der einzelenen Stände. Sichtbares Zeichen der Ständezugehörigkeit war die Kleidung, Besitztum und die Art der Ehrerbietung. In den Texten aus der Zeit werden die Rangunterschiede aufgegriffen, der höfische Ritter gehörte zur Elite der Gesellschaft. Er trifft im Wald auf den Wildhüter, der in seiner Art beinahe unmenschlich erscheint. 
  • Mittelalterliche Literatur spiegelt die Rangunterschiede der gesellschaftlichen Lehenspyramiede wider
  • Religiöser Diskurs dominiert 
Institutionell erklärt sich diese Dominanz  dadurch, dass Schriftkundige im Mittelalter oft aus Klöstern stammen. Es gab keine öffentlichen Schulen, daher waren Klosterschulen oft die einzige Möglichkeit die Schrift, bzw. auch Latein zu erlernen. Man las Heiligenlegenden, Erbauungstexte, daher war ein Großteil der mittelarlterlichen Literatur religiös motiviert. Von nun an begann man auch in der Volkssprache zu schreiben. Die mentalen Gewohnheiten waren gepärgt vom religiösen Diskurs, der sich explizit auf die Literatur überträgt.
  • Séquence de St. Eulalie in der Volkssprache (um 880 n.Chr)   
Aber auch die weltliche Literatur war unterschwellig vom geistlichen Diskurs gepärgt
  • Rolandslied (Verräter Replik des Verräters Judas - typologischer Vergleich zur Bibel: göttliches Eingreifen)
      

 Kommunikation und Medialität

·       Die Kommunikationsmöglichkeiten im M.A. werden von Medialität mitbestimmt. Es gab keine gedrucketen Bücher (Gutenberg 1450) und handgeschriebene Manuskripte waren teuer. In der Manuskriptkultur gibt es keine zwei identischen Textkopient, jeder Manuskript mit seinen Ornamenten, Handschrift und Bildern ist ein Unikat. Texteigen sind auch die Fehler des Abschreibers, die durch schnelle Arbeit oder die fehlerhafte Vorlage entstanden sind. Es enstehen dadruch also keine mit sich selbst identischen Versionen einer Erzählung sonder nur Varianten. 

Neben der handschriftlichen Tradition bestand durchaus auch die Tradition der Mündlichen Überlieferung weiter. Zwar bestand im M.A. die Möglichkeit schriftlich zu kommunizieren, aber die Mehrheit des Volkes waren Analphabeten. Vor allem in Kirchen und Klöstern sowie bei Hofe überlagerte sich semiorale mit semiliteraler Kultur. Nur wenige Geschichten wurden aufgeschrieben. Bücher wurden performed, in der Regel in kollektiver Form vorgelesen. Ein Sänger/ Erzähler (vgl. Aöde in der griech. Antike) unterhält, belehrt und erbeut eine Gruppe von Zuhörern. Allerdings können über 10.000 Verse nicht ohne Pause vorgetragen werden. Stückelungen hinterlassen Spuren in Texten. (Mouvance) In der Oralität des M.A. gibt es keine fixen Texte, sondern bewegliche Einheiten, die zusammengestückelt werden. Die Geschichte ändert sich mit dem Erzähler, so entstehen Varianten mit der Vortragssituation. Zwei Kommunikationssysteme überlagern sich. Im 12. Jhdt. kommt mit dem höfischen Roman eine 2. Großgattung der erzählenden Literatur hinzu. Allerdings war der
Roman von Anfang an auf Schriftlichkeit ausgelegt. Die chansons de geste wurden erst im Nachhinein aufgeschrieben. (Chretien de Troye, Hartmann von Aue)
 
  

Merkmale des Romans:


  • Schriftlichkeit und Abtrennung von der körperlichen Präsenz
  • Schriftlichkeit wird wieder in die dominante mündliche Kommunikationsform überführt
  • Körper immer noch als Exemplarisch gesehen
  • Schwerpunkt nicht auf Fiktionalität
  • Entwicklung eines Fiktionalitätsbewusstseins 
  • Abweichen vom Exemplarischen Helden, so sollst du sein (Artus, Tristan, abgeschrieben, reduziert, mit anderen Texten in Kodizes zusammengeführt) à folie

Chanson de geste und höfischer Roman


2  Es gab im 12. Jhdt 2 Großgattungen:

 Chanson de Geste

Die epische Dichtung von heldentaten (Geste = geschehene Taten) wird gesungen (Antike: Aöden). Sagen sind strukturell am Ursprung dieser Gattung, verbinden sich mit Märtyrerlegenden (Eulalia Sequenz) und werden mündlich überliefert.  Es gibt hier keine Autoren, sie werden anonym überlierfert und behandeln u.a. Glaubensfragen. Sie werden von professionenllen Sängern performed (Jongleurs = wandernde Geschichtenerzähler) die ihre Geschichten improvisieren und diese von Musik (einfache Melodien) begleitet zum Besten geben. Die dargebotenen Geschichten werden immer wieder neu, je nach Situation, erfunden und umgestaltet. Hier gibt es noch keine Unterscheidung zwischen Historie, Kult und Fiktion. Formal kennzeichnen sie sich als Zehnsilber aus, die ungereimt auf Assonanz (Ähnlichkeit durch den Vokal - fastoueuse - douloureux) und Laisse (strophische Einheit, bestimmte Zahl von Versen, alle Verse assonieren miteinander) zurückgreifen. Epischer Motiv- und Formelstil (Bewaffnung, Schlachtbeschreibung, Gebete und Überbringung von Botschaften, Totenklage usw.) verbinden sich mit Handlungselementen, die mit bestimmten formelhaften Phrasen behaftet sind. Es handelt sich bei den einzelnen Sätzen um Parataxen (keine komplexen Nebensatzkonstruktionen möglich), um die freie Rekonstruktion bzw. Improvisation zu ermöglichen gab es mnemotechnische Stützen und musikalische Strukturen (Stimme, Klang, lautliche Figuren)
 Der literarische Ursprung der Texte/ Geschichten kann heute nur vermutet werden. Enstanden sind sie vielleicht an Pilgerstationen durch Frankreich und Spanien und wurden bei der Einkehr erzählt. Im Laufe der Zeit wurden die Erzählkerne vielleicht angereichert. 

Beispiel: Le Couronnement de Louis (12. Jhdt)
·         

  •   Oiez = Hört mir zu
  • Werbecharakter – Anpreisung, Appellative à Mündlichkeit
  • Chanson = Lied (Selbstbeschreibung
  • Joglere = Geschichtenerzähler (verschiedene wetteifernde Personen erzählen die gleiche Geschichte à Mouvance)
  • Glaubenskrieg (Sarazenen) – märtyrerhaftes
  • Laisse (strophische Einheit, eigene vielleicht variierende Melodie)
  • Verknüpfung der Laissen
  • Jean Rychner La chanson de geste. Eassai sur l’art épique  des jongleurs.

1)      Enchaînement : La chanson de Roland : Laissen 148/149
          Reprise, Wiederholung eines Verses/ Versteiles
2)      Reprise bifurquée : Laissen 267/268
·         Semantisch identisch mit der vorigen Laisse (Gleichheit der Laisse
·         Andere Fortsetzung
·         2 mögliche Varianten ein und der selben Handlungssequenz nebeneinander gestellt,
·         Narrative Progression im linearen Sinne nicht so wichtig – Progression immer wieder gestoppt (Spuren der Mündlichkeit, Inventar von Möglichkeiten, Stilmittel: Widersprüchliche Versionen nebeneinandergestellt, auflösen der Geschichte in Teilidentitäten; Höhepunkt musikalisches Strukturprinzip)
3)      Laisses Parallèles 162/ 163
·         Parallelität unterschiedliche Personen 





Der Höfische Roman


Merkmale:

  • Schriftlichkeit (vs. Mündlichkeit) Gegenmodel zur chanson de geste
  •  Autorschaft (vs. Anonymität)
  • Linearität der Narration (vs. Musikalische Strukturen) kann sich auch in die Länge ziehen, oder sehr komplex werden
  • Achtsilber, Paarreime (vs. Zehnsilber Assonanzen)
  • Hypotaxe (vs. Parataxe)
  • Keine Laisse
  • Conjointure = Chrétien de Troyes (Erec et Enide V. 13) à Form der Deutung der erzählten Geschichte
Aus der bereits bekannten Abenteuergeschichte wird eine neue schriftliche Form gewonnen. (z.B. haben deutsche Autoren sehr stark franzöische Geschichten rezipiert - doppelter Kursus) Um sich von anderen Geschichtenerzählern abzugrenzen werden Negativbilder der Jongleurs gezeichnet. Der Autor gibt der Geschichte einen neuen Sinn. Man bedient sich aus 3 Sagenkreisen Frankreich (chanson de geste, fränkische Geschichten als historische Wahrheit geglaubt), Bretagne (unterhaltsam, nichtig, erfunden und als fiktiv beurteilt: Zauberwesen, Feen, Märchenstoffe) und Rom (lehrreich und voller Sinn).



Der Artushof und das Märchenschema



·         Der Ausgangsort der Handlungen ist immer ein Fest oder eine Jagd. Er zeigt immer die Idealwelt voller Schönheit, Erlesenheit, feiner Sitten, wo Artus als höchste Norminstanz regiert. Diese Idylle wird von etwas gestört z.B. Beleidigungen eines fremden Ritters, Abenteuer. Also muss der höfische Ritter in eine feindliche Welt ausziehen, wo er mythischen Wesen begegnet und ein einer Serie von aventuren die Schädigung durch die Störung rückgängig macht. Diese Kämpfe gehen immer positiv aus und der Held geht erfolgreich nach Hause.

·         

Doppelter Kursus – Figuralschema

·         Textliche 2-Teilung

o   Auszug des Ritters – erstes Aventiuren bestanden,

o   Verliert zunächst erworbene Rechte (lebet mit Enide kämpft nicht mehr, erscheint als Makel) Muss das verlorene wiedergewinnen zieht erneut aus mit Enide und setzt sie aufs Spiel, muss sich immer wieder dem Zugriff anderer entziehen, Serie von Abenteuern à Wiederherstellung der Ehre

§  In sich noch einmal gegliedert

§  3 korrespondierende Aventiuren

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