INTERVIEW - Wie Theater in Togo funktioniert ...



 Schiller in Afrika und Togo in Mannheim


Die Schauspieler und Theaterenthusiasten Faïçal Bang’Na und Seyram Agbalekpor-Doudjih kommen aus dem westafrikanischen Togo und sind bekennende Liebhaber der deutschen Kultur. Die beiden Germanistikstudenten nehmen am Stipendiatenprogramm der 17. Internationalen Schillertage teil und beschäftigen sich in ihrem ersten von zwei Blockseminaren, unter der Leitung von Dr. Dirk Setton, mit der „Politik der Imagination“. Wie Theater in Togo funktioniert, was sie an deutsche Theaterlandschaft beeindruckt und warum sie trotz französischer Amtssprache in der ehemaligen deutschen Kolonie auch heute noch Deutsch lernen, erzählten sie in einem Interview. 

Wie ist es in Togo um die Kultur bestellt?
Faïçal Bang’Na: Es gibt viele verschiedene Stämme, wie Kotokoli, Kabiyé, Ewe oder Aja, und alle haben sie ihre eigene Sprache und Kultur. Ich bin zwar Togoer, identifiziere mich aber mit Kotocoli.

Togo ist nach dem ersten Weltkrieg unter französisches Protektorat gestellt worden. Man hat auch heute noch Französisch als Amtssprache, wie kommt man da auf die Idee Deutsch zu lernen bzw. später zu studieren?
FB: Ich habe bereits in der Schule angefangen Deutsch zu lernen. 2008 konnte ich mit einem DAAD-Stipendium auch schon einmal nach Deutschland kommen und habe vor allem sprachlich von der Städtetour profitiert. Nach dem Abitur hätte mein Vater sich gewünscht, dass ich Jura studiere, aber mit meinen guten Deutschkenntnissen konnte ich ihn von meinem Wunschstudium, Germanistik, überzeugen. An der Uni liegt mein Studienfokus auf Kulturwissenschaft. Wir lesen natürlich auch ein bisschen Schiller, ein bisschen Goethe, aber die tatsächliche Analyse, ist den Literaturwissenschaftlern vorbehalten. Mittlerweile unterstützt mich meine Familie auch bei meinen Projekten. Außerdem helfe manchmal beim Goethe Institut in Lomé aus. So habe ich zufällig auch über das Mannheimer Nationaltheater und die Schillertage erfahren.

Was aber fasziniert an einem Großmeister der Klassik wie Schiller? Interessiert man sich in Togo für Schillers Themen und Motive?
FB: Ich interessiere vor allem für sein Leben, seine Schriften. Seine Literatur ist so vielschichtig. Besonders „Die Räuber“ finde ich ganz gut. Hier habe ich jetzt auch das erste Mal die Gelegenheit es Bühne zu sehen. Es würde mich reizen das Stück in Afrika selbst zu inszenieren. Vor allem die Sprachbarriere da ein Hindernis. Deutsch schreckt die Zuschauer eher ab. Aber mit einer guten Inszenierung könnte ich mir vorstellen, dass es Interessenten gäbe. Möglicherweise müsste man sich auch einer französischen Übersetzung bedienen und einheimische Tänze und Lieder einbauen, es afrikanisieren. 

Es ist heute dein zweiter Tag beim Schiller Festival. Was waren deine ersten Eindrücke. Was erhoffst du dir von deinem Stipendium?
FB: Sehr interessant. Allerdings sind die anderen Teilnehmer in meinem Seminar alles Deutsche. Wenn Dr. Setton etwas erklärt, geht mir das noch zu schnell. Auf jeden Fall ist es eine gute Gelegenheit mein Deutsch zu verbessern. Ich hoffe auch in Zukunft in Togo arbeiten zu können und dort die Theaterlandschaft mit dem hier Gelernten auszubauen. Vielleicht würde dann die Regierung auch Geld investieren und das Theater kann endlich vorankommen.

Wie gestaltet sich die Theaterlandschaft in Togo?
FB: Auch in Togo gibt es ein Nationaltheater. Allerdings ist es mit nur 50 Mitarbeitern ist es ziemlich klein. Die erste Anlaufstelle für Theaterprojekte kann das Kultusministerium sein, aber mehr als moralische Unterstützung können sie sich dort oft nicht leisten. Erklärte Förderer des Theaters sind vor allem das Goethe Institut, das Institut Français und viele kleinere oft auch private Förderer. Meistens funktioniert Theater überhaupt nur durch Mundpropaganda. Bevor ein einziges Stück mehrmals aufgeführt werden kann, braucht man die Unterstützung der Masse. Aber dazu kann Seyram dann mehr sagen. Er war mein Regisseur als ich in Lenoirs „Die Gebrüder“ zum ersten Mal auf der Bühne stand.

Seyram Agbalekpor-Doudjih: Ich arbeite tatsächlich auch als Schauspieler am Nationaltheater. Anders als in hier gibt es keine fest angestellten Autoren oder Dramaturgen. Erst vor Kurzem brachten wir ein Stück von Kevin Rittberger auf die Bühne, für solche Produktionen haben wir aber auch kein festes Schauspielhaus mit viel technischem Know-How. Wir hatten Glück und konnten es zwei Mal aufführen. Wenn wir es finanzieren können, wollen wir damit auf Tour durch Togo und ins angrenzende Bénin gehen.

Kann man von der Kunst bzw. der Schauspielkunst leben?
FB: Von traditioneller togolesischer Kunst kann man das ganz gut, aber besonders Theaterleute müssen nebenher noch arbeiten um Geld zu verdienen.
SD: Deshalb gehen auch so viele Künstler erst einmal ins Ausland. Es gibt wenige Zuschüsse für das Theater. Wenn man sich schon einen Namen gemacht hat, ist es immer leichter Sponsoren zu finden. Viele Unternehmer nützen so Theaterstück dann, um indirekt in eigener Sache Werbung zu machen. Anfänger haben da kaum eine Chance.

Wie steht es heute in der Republik Togo mit der Redefreiheit? Dürfte zum Beispiel ein Wilhelm Tell auch regierungskritisch sein?
FB: Heute auf jeden Fall. Togo ist eine demokratische Republik, man spricht auch über heikle Themen, demonstriert, aber es ändert sich nie wirklich etwas. Vor zehn Jahren sah das anders aus. Da war alles, was die Regierung gemacht hat Tabuthema und schlecht von der Regierung reden stand unter Strafe.
SD: Das nennt sich dann Demokratur. Unser jetziger Präsident, Faure Gnassingbé, hat sein Amt vom Vater quasi geerbt.

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