Lyrik in Mittelalter und Renaissance

Von den Provebnzalen bis zu Petrarca 


Im Allgemeinen ist die Lyrik des Mittelalters im Provenzalischen (Region in Südfrankreich)  und in provenzalischer Sprache entstanden. Der deutsche Minnegesang übernimmt Traditionen aus der französischen Lyrik, die sich auf die gesamte europäische Feudalaristokratie ausdehnen. 
Trobar bedeutet bildlich reden, Tropen werden verwendet. Demnach waren die Troubadours nicht nur Dichter und Wortmaler, sondern auch Musiker, deren Dichtwerk von Musik begleitet vorgetragen wurde. 
Der Gegenstand mittelalterlicher Dichtung war vor allem das Frauenlob, je nach Anlass variiert das Thema für ein artifizielles ritualisiertes Spiel in der Dichtung. 
Während in der Antike die Frau als Individuum oft negative Affekte des Sprechers hervorrief (Eifersucht, Verwünschung, Hohn, Verspottung, Enttäuschung) wurde die Frau im M.A. gelobt und ideologisch als Vertreterin einer Gattung gesehen. Die Frau war die Herrin mit positiven Eigenschaften, die den Mann durch ihre Präsenz veredelt, auch wenn seine Liebe nicht erwidert wird. Diese Positivfierung des Frauenbildes hatte einen Kulturwandel zur Folge, die Frau war edelmütig, vornehm und steht der realen Position der Frau in der Gesellschaft diametral gegenüber. Alles Böse kommt von der Frau, so die gängige religiöse Lehrmeinung (St. Hieronymus, Bibel), demnach hatten Frauen weder in der parteiarchaischen Gesellschaft noch in der Kirche keine Rechte.
Einfluss hatten sie allerdings auf das Wertesystem, courtroisie, das höfische Benehmen und die Gesittung. In der Dichtung waren die Frauen dem Mann wesensmäßig überlegen. Die Lyrik bestach durch eine komplexe, ritualisierte Kunstfertigkeit. Die unerreichbare Angebetete aus der Oberschicht bleibt anonym und wird nur durch Codenamen in einem Zustand der fine amours (edle Liebe) gepriesen. Die Liebe wird oft zur Qual für den Dichter, Lust und Leid sind somit untrennbar miteinander verbunden. Die Metaphernfelder kommen daher oft aus der Kampfmotive, Dienst des Vasallen, Feuer, Glühen, Verbrennen, religiöse Bilder und Martyrium. 
Ein Beispiel hierfür ist Gui d'Ussels Ben freira chansós plus soven. Das lyrische Ich überlegt wie er seine Gefühle in Worte fassen kann, aber jeder hat bereits etwas gesagt, seine Aufgabe ist es nun Altbekanntes in neue Worte zu kleiden. Die Geliebte quält ihn mit der nicht-erwiderten Liebe, was in hyperbolisch als Tötungsakt dargelegt wird. Der Angebeteten soll die Tragweite ihrer Abweisung klar gemacht werden. Sein Argument, sie ist edelmütig und darf nicht böse sein, eine Abweisung allderings wäre eine Schandtat. Jede könne die Herrin sprachlich veredeln, es sei nicht schwer, aber Sprache reicht nicht an sie heran. Sie übertrifft jeden Versuch der Beschreibung. Hier findet sich anders als bei Goethe oder Hugo der tatsächliche Ansatz zur Werbung.
Ein weiteres Merkmal der M.A. Lyrik ist die Ambivalenz des Schmerzes. Eigentlich ist der Liebesschmerz nicht unangenehm, manchmal sogar recht schön. Gefühl und Verstand können sich nicht einig werden. Der Verstand versteht Schmerz als etwas Schlechtes, doch das Gefühl ist nicht davon überzeugt. Bei Petrarca heißt das später dulce malum. Wie bereits erwähnt handelt es sich bei dieser Art der lyrischen Dichtung um Lobestext mit rituellem Charakter. Der Sänger zieht aus mit seinem Leid und bittet um einen Kuss der niemals stattfinden darf, (oft Bezug zur Öffentlichkeit). 
Diese Provenzalische Lyrik wurde in Italien rezipiert und verfeinert. Die poetische Illusion allerdings enspricht nicht der Wirklichkeit. Die Herrin bleibt der Bezug zur Realität, aber es war Mode die Frau zu verherrlichen, realgesellschaftlich blieb sie dem Mann untergeordnet. Jedoch kann festgestellt werden, auf längerer Sicht gesehn führte die höfische Dichtung und das Frauenlob zu einer Verfeinerung der Sitten über die Jahrhunderte hinweg. Frauen bekommen allmählich mehr Freiräume.
Im Erek wirbt der Ritter um die Gunst der Dame. Er kämpft gegen die Räuber, die die Frau allein als Sexualobjekt sehen. Im Italienischen entwickelt sich die Liebessemantik der Provenzalen weiter. Hier geht es vor allem um das Element des Neuen, Liebe muss neu ausgedückt werden, die Seele wird durch die Liebe erneuert. Wie in Dantes Vita Nova, wo die Liebe analog zur österlichen seelischen Erneuerung gesehen wird. Die Dichtung entsteht zwar unter dem Diktat Amors, aber verwirklicht sich im Bewusstsein des dichterischen Sprechens, vor allem durch Reflexion und Abstraktion, theologische und philosophische Begründungen.
Dantes Vita Nova ist eine Gedichtesammlung die 3 Texebenen verbindet. Die Narrative Ebene, die spirituelle und  autobiographische Elemente beinhaltet (die Liebe zu Beatrice führt zum Seelenheil), die Ebene der Dichtung, die von der Prosa eingebettet ist und die Divisioni liefern schließlich Erklärungen und Analysen des Autors selbst . 
Petrarca hingegen fühlte sich Dante verpflichtet, was an den häufigen Dante Zitaten ersichtlich wird. Seine Canzoniere ist eine Gedichtsammlung aus getrennt entstandenen Gedichten, die das Frauenlob zum Thema (hier Laura) haben und programmatisch das Wort "dolce" wiederholen. Die Geliebte Laura wurde von der Natur als Inkarnation alles Schönen geschaffen, sie ist die Verkörperung der Tugend und verweigert sich so dem Sprecher. Während in Dantes Vita Nova (#21)  alle durch die Präsenz der Geliebten beglückt werden und der Sprecher nicht fehentlich um ihre Gunst bittet, sondern nur ihr Lob aussprechen will, ist Petrarcas Sprecher von dem Wunsch nach einer Berührung beseelt und will Laura als Frau gewinnen. 
Beide Dichter beziehen sich in ihrem Werk aufeinander (Reimwörter, Wiederholung von Dolce, Schlüssellexeme), was davon zeugt, dass zwei der Tre Corone Fiorentine korrespondierten und aus der dialogischen Lyrik des M.A. diesen Vers-Wettstreit übernommen haben. 
In Petrarcas Canzoniere, wird ein deutlicher Bezug zur provenzalischen Lyrik deutlich, der Liebende wird nicht erhört, Er integriert Zitate aus anderen Werken von z.B. Guido Cavalcanti, die Frau bittet ihn von einem Unfall zu sprechen, was die Liebe betrifft. Durch die Integration in sein eigenes Werk gibt er den Zitaten eine neue Bedeutungsdimension, als die Replik aud Fremdes, setzt der das eigene Dichtwerk programmatisch von den anderen Dichtern ab. Natürlich leidet auch sein Liebender, Verlust, Unglück, findet aber die Schuld bei sich, das steinerne Herz der Angebeteten ist versiegelt und er kann es nicht aufbrechen. Geblendet von der Schönheit, muss er selbst sein Leid verantworten. Somit schließst sich der Kreis mit einem Zitat aus Ovids Metamorphosen wieder. Von den Provenzalen bishinzur Antikenrezeption, Dialogizität des Mittelalters bekommt die Lyrik der Renaissance einen internationalen Charakter über Länder- und Sprachgrenzen hinaus. 









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